»Der Standort ist völlig ungeeignet«
Main-Echo Pressespiegel

»Der Standort ist völlig ungeeignet«

Energieversorgung: Bürgerinitiative gegen »Mammut«-Solarpark zwischen Schöllkrippen und Sommerkahl - Bürgermeister Babo nimmt Stellung
SCHÖLLKRIPPEN/SOMMERKAHL  Von un­se­rer Mit­ar­bei­te­rin LI­SA ROB­BERSKnapp 25 Hektar groß ist der So­lar­park, den der Markt Sc­höllkrip­pen ge­mein­sam mit der Fir­ma Main-Spess­art-So­lar im Drei­eick zwi­schen dem Orts­teil Ernst­kir­chen so­wie der Nach­bar­ge­mein­de Som­mer­kahl und de­ren Orts­teil Vorm­wald plant. Das Vorhaben auf einer Fläche von mehr als 35 Fußballfeldern sorgt für schlechte Stimmung im oberen Kahlgrund.
Bereits im vergangenen Jahr hatte der Gemeinderat Schöllkrippen den Plänen einstimmig zugestimmt, der Sommerkahler Gemeinderat indes stimmte jüngst einstimmig dagegen. Im August ist die Bürgerinitiative (BI) »Solarpark Ernstkirchen - Nein Danke« entstanden. Sie will mit einem Bürgerentscheid das »Mammutprojekt« verhindern.
Aktion in der Dunkelheit
Der BI-Slogan: »Ja zu erneuerbaren Energien, aber nicht auf Kosten unserer Kulturlandschaft«. Am Mittwochabend kamen nach BI-Angaben rund 350 Menschen auf der Projektfläche zusammen, um mit Taschenlampen und Handyleuchten ein großes »Nein« in die Dunkelheit zu leuchten. Ein Drohnenfilm von der Aktion soll auf Social Media die Forderung bewerben. Der ursprüngliche Plan, die ganze Fläche auszuleuchten, scheiterte: Die Fläche ist einfach zu groß.
Gute 180 Meter lägen zwischen der Photovoltaik-Anlage und dem Wohnhaus von Jochen Kraus (41) in Sommerkahl. Auch Jasmin Fries (47), die heute von ihrer Terrasse in Vormwald einen Ausblick über unberührte Kahlgrundwiesen genießt, könnte sich an ein dunkles Solarmodul-Feld 200 Meter weiter gewöhnen müssen. Der Außendienstler und die Werkstatt-Betreiberin sind zwei Gesichter der Bürgerinitiative.
BI: Lieber dezentral
Auch die Sommerkahler Gerhard Fleckenstein (68, ehemaliger Linde-Mitarbeiter), Tanja Lippert (55, Friseurmeisterin) und Eva Schaab (45, Inhaberin des Sommerkahler Traditionsgasthauses »Zum Grünen Baum«) wollen das Vorhaben verhindern und sammeln Unterschriften. »Wir sind für eine dezentrale, gemeinnützige, zukunftsfähige, effiziente Energie im oberen Kahlgrund«, heißt es bei der BI. Eine Mega-Photovoltaik-Anlage hält sie für den falschen Weg. »Der Standort ist und bleibt völlig ungeeignet«, sagt Fries.
Der Vorschlag der BI: eine gemeinschaftliche Lösung. »Schöllkrippen will was bauen und setzt es uns direkt vor die Nase«, beschwert sich Gastwirtin Schaab. Von dem Vorhaben sei sie schockiert. Fleckenstein berichtet: »Ich habe mich gefragt, ob wir Sommerkahler den Schöllkrippenern gegenüber Bürger zweiter Klasse sind.« Die konkrete Idee der Gruppe: alle öffentlichen Gebäude mit PV-Anlagen ausstatten. Gerade Supermarktdächer kämen dafür in Frage, aber auch Privathaushalte müssten mehr tun. Zusätzlich müssten Speichermöglichkeiten geschaffen werden.
Hierzu entgegnet Schöllkrippens Bürgermeister Marc Babo (CSU) auf Nachfrage der Redaktion: »Der jährliche Gesamtstrombedarf allein für den Markt Schöllkrippen liegt bei 14.033.734 Kilowattstunden. Selbst bei Vollbelegung aller vorhandenen Dachflächenpotenziale privater und kommunaler Dachflächen mit entsprechender Stromspeicherung und Eigennutzung wäre der nicht zu decken.«
Gegen privaten Investor
Weitere Forderung der BI: Man sollte lieber mit öffentlichen Betreibern zusammenarbeiten, nicht mit einem privaten Investor. »Warum nicht über eine kommunale Energiegesellschaft? Wieso macht man sich abhängig?«, fragt Schaab. Kritik gibt es auch an dem Gutachten, das jüngst bei einer Informationsveranstaltung in Schöllkrippen vorgestellt wurde. Das Standortkonzept sei aus dem Jahr 2009, meint Anwohner Kraus. Neubaugebiete seien deshalb nicht berücksichtigt worden. Auch die Gemeinde Blankenbach habe man komplett außen vor gelassen. »Die haben auch einen direkten Blick auf das Feld.«
Hierzu heißt es von Rathauschef Babo, dass die Untersuchungen der Standortanalyse aus dem Jahr 2009 nun aktuell fortgeschrieben würden. »Die damaligen Flächen decken sich mit den Vorrangflächen für PV-Anlagen aus der Ergebniskarte der Planungshilfe aus 2021.« Der Standort Ernstkirchen ist eine von 13 Freiflächen, die der Markt Schöllkrippen für einen möglichen Solarpark bewerten ließ. Auch an der Mülldeponie würde eine Fläche von rund 25 Hektar ausreichend Platz bieten.
Diesen Standort sieht die BI als mögliche Alternative. »Dort wäre es zwar auch nicht hübsch und optimal, aber dann würde es Schöllkrippen wenigstens selbst betreffen und nicht die Nachbarn«, so Kraus. Dieser Standort kommt laut Rathauschef Babo aber nicht in Frage, weil dort ein neuer Recycling- und Grünabfallplatz entstehen soll. Außerdem gebe es dort schon eine PV-Anlage.
Kritik an Stromtrasse
Die Liste der Kritikpunkte der BI ist noch länger: Dass auch eine Stromtrasse zu den Weyberhöfen geplant ist, sei für sie beim Infoabend völlig neu gewesen. Das habe sie regelrecht überfahren, sagt Jasmin Fries. Ohnehin sei man mit dem Vorhaben viel zu spät auf die Bevölkerung zugegangen. Zu diesem Vorwurf sagt Bürgermeister Babo: »Die notwendige Stromtrasse war von Anfang an Gegenstand aller Beratungen in sämtlichen öffentlichen Marktgemeinderatssitzungen zum Thema Solarpark Ernstkirchen.« Hierbei verweist er insbesondere auf die Sitzung vom 26. September vergangenen Jahres. Das Main-Echo berichtete damals.
Eva Schaab kritisiert zudem den Umgang mit den Landwirten, die derzeit die Projektfläche bewirtschaften. Diese hätten von heute auf morgen eine Kündigung im Briefkasten gehabt. Auch hierzu nimmt Babo Stellung: Die beiden Bauern mit den größten Flächen seien Anfang 2022 in persönlichen Gesprächen informiert worden.


06.10.2023
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